Christian Sachs Bergfahrten.at

“Nur wer mit seinem Portfolio zufrieden ist, hat es richtig gemacht”

Christian Sachs Bergfahrten.at

Christian Sachs, Investor und Betreiber des Blogs Bergfahrten.com, teilt im Interview mit finanzvergleich.com seine Einsichten zu langfristigem Investieren, Dividendenstrategien und finanzieller Unabhängigkeit. Er erklärt, warum persönliche Zufriedenheit der Schlüssel zum erfolgreichen Investment ist.

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finanzvergleich.com: In Deinem Blog betonst Du immer wieder die Bedeutung des langfristigen Investierens. Was war der entscheidende Moment, der Dich zu dieser Strategie gebracht hat?

Christian Sachs: Meine ersten Aktien habe ich 1995 gekauft und anfangs oft mit kleinen Gewinnen wieder verkauft. Der Umstieg erfolgte, als ich begann, mich mehr auf die Qualität der Unternehmen und verschiedene Anlageklassen zu konzentrieren. Meine längsten Investments sind heute Nestlé und Roche, wo ich seit 2014 investiert bin. Wenn man sich Berkshire Hathaway mit Coca-Cola und American Express ansieht, erkennt man, welche Zeithorizonte möglich sind.

Du sprichst oft über Dividenden als wichtige Einnahmequelle. Was sind für Dich die größten Vorteile und möglichen Risiken einer Dividendenstrategie?

Während der Euro-Finanzkrise 2010-2012 habe ich mein Portfolio auf Dividenden fokussiert. Das Einkommen aus Dividenden, vor allem von sogenannten Aristokraten (Unternehmen, die seit mehr als 25 Jahren Dividenden zahlen) oder Königen (mehr als 50 Jahre), kann als Qualitätsmerkmal eines Unternehmens gesehen werden. Regelmäßige Dividenden, besonders bei US-Unternehmen, die oft quartalsweise zahlen, motivieren, langfristig investiert zu bleiben. Das Risiko besteht darin, das Portfolio zu stark auf „Value“-Aktien auszurichten und dadurch potenzielle Kursgewinne bei Wachstumsunternehmen zu verpassen.

Deine monatlichen Rückblicke geben interessante Einblicke in Deine Anlageentscheidungen. Kannst Du uns mehr darüber erzählen, wie Du Entscheidungen triffst, wenn es darum geht, Dein Portfolio anzupassen?

Wichtig ist, dass jeder eine Selbstanalyse durchführt, um sich selbst zu verstehen. Ich treffe meine Anlageentscheidungen ohne Einfluss durch Empfehlungen, Medien-Hypes oder Social Media. Für mich sind Anlageklassen festgelegt, wobei Einzelaktien etwa 80 % meines Portfolios ausmachen. Käufe tätige ich, wenn ich ein Qualitätsunternehmen langfristig aufbauen möchte und der Kurs mir fair erscheint. Seltener kaufe ich bei Krisen in einem guten Unternehmen, wenn es gut in mein Portfolio passt. Ich habe auch eine „No-Go“-Liste, die ich über die letzten 30 Jahre entwickelt habe.

Du legst großen Wert auf Diversifikation. Was sind Deine wichtigsten Kriterien bei der Auswahl neuer Investments, und wie sorgst Du dafür, dass Dein Portfolio gut diversifiziert bleibt?

Der bekannte Spruch „Lege nicht alle Eier in einen Korb“ gilt auch hier. Es gibt immer wieder neue Investmentformen, die mich interessieren, und nach 2-3 Jahren weiß ich, ob sie langfristig in mein Portfolio passen oder mehr Stress als Nutzen bringen. Ich arbeite mit Depotgewichtungen von 1 %, 5 % und maximal 10 %. Diese Gewichtungen steuere ich durch die Betrachtung von Branchen, Ländern und Währungen, um die Diversifikation aufrechtzuerhalten.

Du investierst seit vielen Jahren. Was war die größte Lektion, die Du im Laufe der Zeit gelernt hast, und welche Fehler würdest Du Neueinsteigern empfehlen zu vermeiden?

Am wichtigsten ist es, früh anzufangen – oder zumindest sofort. Viele scheitern am ersten Schritt und zu viel Theorie. Wissen und Erfahrung kommen mit der Zeit. Wer sich gar nicht für Finanzen interessiert, kann immerhin mit ETFs beginnen. Der größte Fehler ist, zu glauben, man sei klüger als der Markt. Kurse neigen zu Übertreibungen nach oben oder unten, aber entscheidend ist, ein Risikoprofil für sich zu entwickeln. Nur wer mit seinem Portfolio zufrieden ist, hat es richtig gemacht. Wenn ich wegen einer Depotposition schlaflose Nächte habe, verkaufe ich sie sofort.

Wie definierst Du für Dich persönlich finanzielle Unabhängigkeit, und welche Schritte hast Du unternommen, um dieses Ziel zu erreichen?

Für mich begann der Weg zur finanziellen Unabhängigkeit, als ich mehr Einnahmen aus Wertpapieren generierte, als ich für meinen Lebensunterhalt benötigte. Wer sparsam lebt, schafft es schneller – wer über seine Verhältnisse lebt, erreicht es nie. Mein persönliches Ziel war es, 200.000 EUR zu investieren, was von 1995 bis 2014 gedauert hat. Danach ging es schneller, und 2017 habe ich mit mehr als 500.000 EUR den Schritt in die finanzielle Unabhängigkeit gemacht. Seitdem habe ich mich von staatlicher Vorsorge abgemeldet und meinen Job beendet.

Neben Aktien und ETFs hast Du auch in Crowdinvesting und P2P-Kredite investiert. Welche Rolle spielen solche alternativen Anlagen in Deinem Gesamtportfolio?

P2P-Kredite waren ein Experiment, um zu sehen, ob sie zu meiner Strategie passen. Nach zwei Jahren habe ich sie wieder aus meinem Portfolio genommen. Crowdinvesting habe ich 2017 begonnen, weil ich nicht zu 100 % in Aktien und ETFs investiert sein wollte. Ich habe mein Limit von 10 % erreicht und baue diese Positionen jetzt langsam ab. Crowdinvesting bleibt eine Nische in meinem Portfolio, aber von den Plattformen bin ich eher enttäuscht, da sie oft instabil wirken.

Die Märkte sind volatil und beeinflussen Anlagestrategien. Wie hast Du Deine Anlagestrategie in den letzten Jahren angepasst, um auf die aktuellen Marktbedingungen zu reagieren?

Die Volatilität stört mich mittlerweile kaum noch. Rückblickend bereue ich es, Tech-Aktien nach dem Dotcom-Crash nicht stärker gewichtet zu haben. Anfangs erschienen sie mir zu riskant, später waren die Gewinne oft zu gering und die Kurse zu teuer. Hier hätte ich früher investieren sollen, zumindest in einen Nasdaq 100 ETF. Positiv ist, dass ich mediale Hypes vermeide. Derzeit konzentriere ich mich auf Blue-Chip-Aktien und baue langsam kleine Tech-Positionen auf.

Du sprichst oft über finanzielle Selbstverantwortung. Was sind Deiner Meinung nach die wichtigsten Schritte, um die Kontrolle über die eigenen Finanzen zu übernehmen?

Finanzielle Selbstverantwortung bedeutet, sich nicht 100 % auf den Job, den Partner, die Familie oder den Staat zu verlassen. Ob es sich um einen Notgroschen oder ein größeres Wertpapierdepot handelt, hängt von den persönlichen Möglichkeiten ab. Für mich war der Punkt erreicht, als ich 200.000 EUR investieren wollte, um nicht 50 Jahre lang abhängig von einem Job zu sein.

Was sind Deine langfristigen Ziele für Dein Portfolio und Deine finanzielle Situation? Gibt es bestimmte Meilensteine, die Du in den nächsten Jahren erreichen möchtest?

Obwohl ich jetzt 59 bin, möchte ich wie Charlie Munger oder Warren Buffett meine finanzielle Situation weiterhin aktiv managen, weil es mir Spaß macht. Mein Ziel ist es, jährlich 3 % Netto-Dividenden zu erhalten und mein Portfolio um 4 % zu steigern. Langfristig könnte ich mich vielleicht auf 10 Positionen mit jeweils 10 % Gewichtung konzentrieren, aber derzeit finde ich zu viele neue, interessante Chancen.

Hast Du für unsere Leser einen speziellen Tipp für ihren Weg in die finanzielle Freiheit?

Niemand ist vollkommen finanziell frei. Jeder hat Verpflichtungen gegenüber Familie, Partnern, dem Staat und anderen. Wichtig ist, sich realistische, aber ambitionierte Ziele zu setzen. Auch wenn ein Jahr schlecht läuft, kann man im nächsten wieder aufbauen. Der Faktor Zeit spielt eine entscheidende Rolle. Wer plant, 90 oder 100 Jahre alt zu werden und gesund und geistig fit bleibt, sollte seine Finanzen langfristig ausrichten.

Danke für das Gespräch!