„Langfristig ist es wertvoller, etwas zu erschaffen und zu wirken – finanzielle Freiheit ist nur ein Nebenprodukt“
Fehlende finanzielle Sicherheit hält viele Menschen vom Gründen ab. Im Interview erläutert Torben Platzer, warum Gründer den Fokus nicht primär auf Finanzen legen sollten und wie sie den Balanceakt zwischen Sicherheit und Freiheit meistern können.
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Die meisten Unternehmer sind von zwei grundlegenden Bedürfnissen getrieben: Der Wunsch nach Unabhängigkeit und das Bedürfnis, die eigene Vision zu verwirklichen. Was ist in Deinen Augen wichtiger?
Ich denke, die eigene Vision ist noch wichtiger als die Unabhängigkeit. Denn bei der Unabhängigkeit geht es um ein rein finanzielles Ziel. Schließlich habe ich damals auch zunächst im Vertrieb begonnen, um Geld zu verdienen. Daran ist auch nichts Verwerfliches. Ich habe jedoch für mich festgestellt, dass irgendwann der Punkt erreicht ist, an dem Geld alleine nicht mehr ausreicht und auch kein Motivator ist. Ein privates Beispiel von mir: Als ich nach dem Studium im Vertrieb begonnen hatte, dachte ich mir zunächst, dass Millionär sein ein schönes Ziel ist, bevor ich 30 bin. Tatsächlich war es so, dass ich nach etwa einem halben Jahr im Vertrieb einen wirklich großen Gehaltscheck bekommen habe. Im nächsten Monat wurde er dann noch größer, doch emotional hat sich bei mir nichts verändert, egal wie nah ich diesem Ziel kam. Denn mein Lifestyle hat einfach nicht mehr Geld erfordert. Daher sollte man für sich zuerst finanzielle Freiheit definieren.
Wichtiger ist in meinen Augen, eine eigene Vision zu haben, die man immer fest im Blick behält. Denn das Leben als Unternehmer ist eine emotionale Achterbahn. Man verliert einen Kunden oder jemand veröffentlicht einen schlechten Artikel über Dich. Gerade in diesen Momenten stützt Dich eine eigene Vision, den eigenen Weg nicht aus den Augen zu verlieren.
Langfristig ist es viel wertvoller, etwas zu erschaffen, zu bewegen und zu wirken. Finanzielle Freiheit ist dann nur ein Nebenprodukt, das daraus resultiert.
Wie Du schon angesprochen hast, häufen sich die Online-Werbespots, die versprechen, einen sofort zum erfolgreichen Unternehmer zu machen und so zur finanziellen Unabhängigkeit zu verhelfen. Wie glaubwürdig ist dieses Versprechen wirklich?
Hier ist es wichtig, abzuwägen. Man sollte darauf achten, wer hinter dieser Message steckt und was derjenige schon selbst erreicht hat. Jemand, der etwas verkaufen möchte, suggeriert meist, dass alles andere schlechter ist. Ich selbst kenne einige Marketer, die zwar auf sehr plumpe Art und Weise werben, aber das Business kennen und wissen, wovon sie sprechen. Dann gibt es diejenigen, bei denen einfach nichts dahintersteckt. Pauschal zu urteilen, wäre an der Stelle zu kurz gegriffen.
Welche Möglichkeiten hat ein Angestellter, das Ziel finanzieller Unabhängigkeit zu erreichen?
Ich kenne viele Angestellte, die nebenbei ihre Selbstständigkeit aufgebaut oder gut investiert haben. Ein Kollege von mir zum Beispiel, der Journalist bei einer großen deutschen Zeitung gewesen ist, hat sehr früh in Bitcoins investiert und ist jetzt Millionär. Andere sind wie ich in den Vertrieb gegangen und haben damit extrem viel Geld verdient. Ich würde also nicht sagen, dass man zwangsläufig Unternehmer werden und alles auf eine Karte setzen muss, um sich finanziell unabhängig zu machen. Ich denke sogar, dass das Internet heute viele neue Möglichkeiten bietet, dieses Ziel auf anderen Wegen zu erreichen, was für viele auch eine bessere Alternative sein kann.
Hättest Du zu Beginn Deiner Unternehmerkarriere keinen finanziellen Druck verspürt, wärst also finanziell unabhängig gewesen, hättest Du dann andere Entscheidungen für Dein Unternehmen getroffen?
Am Anfang war ich definitiv finanziell abhängig, habe jedoch keinen besonders großen finanziellen Druck verspürt. Ich komme aus einer gut situierten Familie, so etwas wie Geldnot hat es bei uns nicht gegeben. Der Druck äußerte sich für mich eher in der Form, dass meine Eltern mir bereits ein vorgefertigtes Konzept für mein Leben liefern wollten. Von dem, was ich für mich selbst wollte, war das allerdings weit weg. Der Druck, von dem Du sprichst, tauchte vielmehr über die Frage auf, wo ich in 10 bis 15 Jahren stehen würde, wenn ich jetzt nicht meinen eigenen Weg gehe.
Es ist eine interessante Frage, was ich getan hätte, wäre ich damals finanziell frei gewesen. Dann hätte ich vermutlich meine Entscheidungen noch mehr nach meinen eigenen Interessen ausgerichtet, anstatt auf das, was funktioniert. Denn ich musste immer abwägen, zwischen dem, was mir wirklich Spaß macht und dem, was mich wirklich weiterbringt. Wäre ich nun damals finanziell unabhängig gewesen, hätte ich mich vielleicht einfach nur auf den Spaß in meinem Leben konzentriert und dann meine eigene Vision nicht weiterentwickelt.
Wo siehst Du Dich in 15 Jahren?
Wir werden unsere Vision weiter schärfen und weiterhin interessante Persönlichkeiten auf ihrem Weg begleiten. Ich denke, der wichtigste Faktor, um seinen Erfolg beizubehalten, ist, sich immer wieder zu hinterfragen, neu zu erfinden und sein Business anzupassen. Das mussten im letzten Jahr viele Unternehmen machen, doch es gibt auch viele, die sich während der Covid-19-Krise einfach nicht angepasst haben und deswegen zum Teil insolvent wurden. Zwei sehr bekannte Beispiele: Nokia und Toys “R” Us. Beides internationale Player, die stehen geblieben sind und sich nicht weiterentwickelt haben. Wichtig ist, dranzubleiben, bereit zu sein, unter Umständen alles radikal anzupassen, wenn nötig. Unser Ziel ist, eine der bekanntesten Branding-Agenturen in Deutschland zu bleiben, und unsere Präsenz in Deutschland auszubauen. Wir fokussieren uns ganz bewusst auf den deutschen Markt und wollen das auch beibehalten.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass Unternehmen, die auf eine starke Online-Präsenz setzen, während der Covid-19-Krise gute Überlebenschancen und oft ein sehr starkes Wachstum erfahren haben. Wie ist es Euch im letzten Jahr damit ergangen?
Hier sollten wir etwas differenzieren. Es gibt einige Betriebe, die sich aus branchentechnischen Gründen nicht anpassen konnten, wie bspw. Restaurants. Einige haben in München sofort auf Lieferservice umgestellt und sind über diesen Weg einigermaßen gut durch die Krise gekommen. Andere Betriebe haben für diese Umstellung Monate gebraucht oder haben bis heute noch keinen Lieferdienst und klagen darüber, dass Restaurants geschlossen bleiben müssen. Bei Fitness-Studios sieht es dahingehend ganz anders aus. Sie können zwar einen Online-Fitnesskurs anbieten, stehen dann jedoch mit den vielen kostenlosen Online-Angeboten in Konkurrenz. Die meisten unserer Kunden sind und waren digital schon recht gut aufgestellt. Wir haben aber auch viele neue Kunden bekommen, für die das Ganze noch neu war. Diese Kunden mussten wir meistens erst noch an das Problem heranführen, wie sich die betriebsinterne Kommunikation auch auf digitalem Weg realisieren lässt.
Einige Unternehmen haben sich auch dazu entschlossen, die Krise einfach zu verschweigen. Wir raten unseren Klienten, proaktiv Stellung zu beziehen, denn die meisten Kunden wollen sehen, dass und wie ein Unternehmen mit Krisen umgeht. So nimmt man Kunden auch die Angst vor Veränderung.
Hat sich in Eurem Unternehmen etwas nachhaltig durch die Krise verändert?
Bei uns hat sich nicht wirklich etwas verändert. Es gibt kein festes Schema, nach dem wir vorgehen. Wir gehen an viele Prozesse sehr innovativ heran und entwickeln dazu neue Ideen und Konzepte. Und genau diese Themen waren und sind relevant für unsere Kunden, so dass die Nachfrage durchaus sehr groß ist. Es gibt noch immer viele Unternehmer, für die “Branding” nur ein Szenewort ist und nicht verstehen, was genau sich dahinter verbirgt. Durch die Krise haben einige Unternehmen zu spüren bekommen, dass es tatsächlich ein notwendiger Schritt ist, ein eigenes Gesicht zu haben, das auch zu zeigen und Verantwortung zu übernehmen.
Dein eigenes Unternehmen gibt es nun seit dreieinhalb Jahren. Wenn Du auf die letzten 5 Jahre zurückblickst, gibt es etwas, was Du lieber anders gemacht hättest?
Ich habe mich oft gefragt, ob ich auch studiert hätte, wenn ich schon vorher gegründet hätte. Vermutlich nicht. Rückblickend hat mir das Studium aber nicht geschadet, sondern mich meinem Ziel, wenn auch auf Umwegen, nähergebracht. Ich wusste schnell, was ich nicht wollte. Es ist aber wichtiger, die richtige Balance zwischen Sicherheit und Risiko zu finden. Auch als erfolgreicher Unternehmer können viele unvorhergesehene Dinge eintreffen, die das Leben von heute auf morgen auf den Kopf stellen. Sicher fühlen ist gut, doch man sollte es sich nicht zu gemütlich machen. Denn dann schmerzen Veränderungen. Ich bin dankbar für alle Erfahrungen, die ich gesammelt habe auf meinem Weg. Ich habe deswegen zwar erst mit 27 Jahren gegründet, aber das ist für mich ein guter Trade-off.
Danke für das Gespräch!