„Die Qualität der Kredite wird steigen“ – Interview mit P2P-Investor Lars Wrobbel

Insbesondere in Krisenzeiten kommen bei Privatanlegern Zweifel an den eigenen Anlagen auf. Eine Möglichkeit, sein Portfolio zusätzlich zu diversifizieren, bietet der Peer-to-Peer Kreditmarkt. Lars Wrobbel, einer der bekanntesten P2P-Investoren Deutschlands, erklärt im Experten-Interview mit finanzvergleich.com, was P2P-Kredite so attraktiv macht und wie man auch als Einsteiger großzügige Renditen einfährt.

Der durchschnittliche Privatanleger setzt auf Aktien, Immobilien und Fonds. Was hat Dich dazu bewogen, einen anderen Weg zu gehen und neben klassischen Investments P2P-Kredite in Dein Portfolio aufzunehmen?

Als ich 2015 damit begann, in P2P Kredite zu investieren, suchte ich eine Anlageklasse, die einfach mehr ausschüttet als eine Dividendenaktie und wo die Einstiegshürde kleiner ist. Damals war ich noch nicht in der finanziellen Position von heute und einen einzelnen Dividendenwert unter 1.000 EUR zu kaufen lohnt sich in der Regel kostenseitig nicht. Daher waren die P2P Kredite einen Versuch wert.

Dass sich das ganze Thema aber zu einem solchen Hype entwickeln würde, war 2015 noch keinesfalls absehbar. Von meinen Zinseinnahmen heute, konnte ich damals nur träumen.

Worin liegen die größten Risikoquellen bei P2P-Krediten?

Wenn man sich nicht gut mit dem Thema auskennt, mag man meinen, es können lediglich Kredite ausfallen, aber dem ist nicht so. Das Thema ist mittlerweile so facettenreich, dass überall Dinge schieflaufen können. Die größten Risikofaktoren sind aus meiner Sicht:

  1. Der Ausfall der Plattform
  2. Der Ausfall eines Kreditgebers auf einem Marktplatz
  3. Der Ausfall von Krediten

Und dass sich diese Risiken auch realisieren können, haben wir erst jüngst in der Corona-Krise und auch schon Monate davor gesehen. Es gab P2P Plattformen, die ihren Betrieb direkt einstellen mussten, es gab welche, die sich als Betrug herausstellten und es gab auch einige, die ganz einfach zeitweise ganz schön unter die Räder gekommen sind.

Das größte Risiko in meinen Augen ist also nicht mehr unbedingt der Kreditausfall. Vielen denken das, jedoch können wir diesen über eine hohe Streuung „wegdiversifizieren“. Vielmehr müssen wir ein Auge auf die P2P Plattformen in einem unregulierten Umfeld haben, ebenso auf die Kreditgeber. Denn ist einer von den beiden betroffen, verlieren wir nicht nur einen Kredit, sondern im schlimmsten Fall hunderte.

„Auf Kreditebene versuche ich auf den P2P Plattformen selbst eine maximale Streuung zu erreichen. Möglich macht es die niedrige Einstiegshürde von 1 – 50 EUR.“

Dein gewünschter Mindestzinssatz für ein P2P-Investment liegt bei etwa 10%, was in etwa doppelt so hoch ist wie der durchschnittliche Zinssatz eines Bankenkredites (5,84 %, Stand März 2020). Gehst Du als P2P-Investor damit das doppelte Risiko ein? Warum lohnt es sich trotzdem, in P2P zu investieren?

Meine Zielrendite liegt bei ca. 10%, das ist korrekt. Allerdings kann man nicht pauschal sagen, dass das Risiko doppelt so hoch ist. Ich fühle mich tatsächlich sehr wohl in dem Umfeld und wenn man über tausende von Krediten gestreut ist, kann man recht ruhig schlafen.

Lohnen tut es sich aber aus einem ganz anderen Grund und den haben wir auch im März gesehen, als die Börse crashte. Es gab zwar auch Aufregung in der P2P-Welt, jedoch war der Portfoliobaustein P2P die stabilste aller Anlageklassen (in meinem Portfolio). Es eignet sich also hervorragend als Zusatz.

Zudem liegt mein Fokus auf einem stetigen Cashflow und auch das ist am besten mit P2P Krediten zu realisieren. Bei einem Investment von ca. 1.000 EUR kannst du von ca. 10 EUR Ausschüttung pro Monat ausgehen.

Wie minimierst Du das Risiko Deiner P2P-Investments?

Durch Diversifikation. Nicht nur auf Kreditebene, sondern auch auf Plattformebene. Aktuell habe ich 15 aktive P2P Plattformen in meinem Portfolio. Zu „meinen besten Zeiten“ waren es auch schon einmal 21. Das bedeutet aber keinesfalls, dass es nur Sicherheit mit einer solchen Anzahl an P2P Plattformen gibt. Mit 5 gut ausgewählten Plattformen über mehrere Länder und Kreditarten verteilt, ist man in der Regel super bedient.

Auf Kreditebene versuche ich auf den P2P Plattformen selbst eine maximale Streuung zu erreichen. Möglich macht es die niedrige Einstiegshürde von 1 – 50 EUR. Alleine bei Bondora bin ich so in über 100.000 Kredite gestreut, bei Mintos sind es ca. 500. Studien haben ergeben, dass die optimale Streuung eines Portfolio bei rund 800 Krediten liegt.

„In extrem guten Börsenjahren performed mein Portfolio meist etwas unter den Benchmarks, dafür ist es in turbulenten Zeiten stabiler.“

Wie reagiert der P2P-Markt auf den Covid-19-Crash? Welche langfristigen Auswirkungen hat die Krise auf die Nachfrage im P2P-Markt?

Besser als erwartet. Viele haben die Industrie direkt zu Beginn totgesagt. Jedoch ist das Gegenteil passiert. Die großen P2P Plattformen haben ihre Kosten heruntergefahren und die Ausgabe von Krediten beschränkt. Da Investoren panikartig die Plattformen verließen, konnten sie auch problemlos das Angebot regulieren. Letztlich haben die Anbieter sich in extrem kurzer Zeit den neuen Verhältnissen angepasst.

Einige Plattformen hat es besonders hart getroffen, z.B. jene die Geschäftskredite ausgeben, andere schienen dagegen rein gar nichts zu spüren.

Sicherlich wird es in den nächsten Monaten zu weiteren Ausfällen kommen. Was viele jedoch nicht auf dem Schirm haben: Die Qualität der ausgegebenen Kredite wird zeitgleich steigen, da die Kriterien zur Ausgabe in den meisten Fällen nun deutlich schärfer sind. Letztendlich denke ich, dass sich alles letztlich die Waage halten wird. Ich sehe es als eine gesunde und längst überfällige Bereinigung an und die P2P Industrie wird gestärkt daraus hervorgehen. Wer denkt, dass P2P verschwinden wird, wird sich täuschen.

Bei der Finanzkrise 2008 hast Du nach eigenen Angaben fast einen großen Teil deines Vermögens verloren. Was hast Du bei der jetzigen Krise anders gemacht als damals? Wie hat sich dein Portfolio seit Anfang des Jahres geschlagen?

Haha! So ziemlich alles. 2008 hatte ich nicht einmal einen Bruchteil meines heutigen Vermögens und habe aufgrund fehlender Erfahrung zusätzlich dazu noch dumme Entscheidungen getroffen.

Dieses Mal hatte ich schon vorweg eine klare Strategie, von der ich nicht abgewichen bin. Ich habe im kurzen aber heftigen Börsencrash lediglich die Chancen genutzt, die sich boten und mein überschüssiges Cash in Aktien und Kryptowährungen überführt.

Stand heute liegt mein Gesamtportfolio bei +-0 Prozent und ist damit aktuell besser als meine selbst gewählten Benchmarks (S&P500 & MSCI World). Der Grund für die Stabilität sind auch hier wieder maßgeblich die P2P Kredite. In extrem guten Börsenjahren performed mein Portfolio meist etwas unter den Benchmarks, dafür ist es in turbulenten Zeiten stabiler.

„Ebenso wie in der Aktienwelt ist auch bei P2P-Krediten eine Diversifikation enorm wichtig und das beste Mittel, um sich gegen turbulente Zeiten abzusichern. Beginner sollten also keine Scheu davor haben, über hunderte von Krediten zu streuen, es macht für sie vom Aufwand her keinen Unterschied, denn die meisten P2P Plattformen kann man automatisiert bewirtschaften.“

Welche Chancen und Risiken ergeben sich für den P2P-Markt und Anleger, die gerade jetzt einsteigen wollen?

Investoren die jetzt einsteigen, erwarten schon wieder Zinsen auf Vorkrisen-Niveau (zeitweise sind diese angestiegen, um das Risiko abzubilden). Ich schätze das Risiko jedoch dennoch höher ein, als noch vor einem Jahr, dessen muss man sich bewusst sein. P2P-Kredite sind ein Abenteuer im Bereich der Hochrisiko-Investments und in Zeiten einer globalen Krise, können wir hier durchaus die eine oder andere Überraschung erwarten.

Allerdings hat man hier die große Chance auf eine nicht korrelierende Anlageklasse und das diese Theorie stimmt, hat die jüngste Krise gezeigt. Zudem kann man damit, wie in meinem Beispiel, eine gewisse Portfolioabsicherung betreiben. Dazu gibt es noch Ausschüttungen auf täglicher Basis, was für den einen oder anderen Einkommensinvestor sicherlich sehr spannend sein kann.

Welche allgemeinen Tipps würdest Du P2P-Einsteigern sonst noch mit auf den Weg geben?

Ebenso wie in der Aktienwelt ist auch bei P2P-Krediten eine Diversifikation enorm wichtig und das beste Mittel, um sich gegen turbulente Zeiten abzusichern. Beginner sollten also keine Scheu davor haben, über hunderte von Krediten zu streuen, es macht für sie vom Aufwand her keinen Unterschied, denn die meisten P2P Plattformen kann man automatisiert bewirtschaften.

Als Einsteiger sollte man sich aber dennoch dem Plattformrisiko bewusst sein, was sich schon öfter etabliert hat, als es einigen Investoren lieb war. Wir bewegen und noch in einem weitgehend unregulierten Marktumfeld. Einsteiger sollten also bewusst auf große und etablierte Anbieter setzen, die schon lange am Markt sind. Kleine ganz neue Startups sollten sie dagegen links liegen lassen. Egal wie hoch die Zinsen auch sein mögen. Sicherheit geht hier vor!

„Schauen wir auf die ganzen Scam-Plattformen waren die blutjung. Je etablierter ein Player im Markt ist, desto sicherer kann man dort sein Geld investieren.“

Wo siehst Du den P2P-Markt in 10 Jahren?

Leider gibt es auch die P2P-Glaskugel nicht. Aber P2P wird nicht mehr verschwinden, da würde ich fast mein gesamtes Vermögen drauf verwetten. Wir können also von einer weiteren Etablierung der Industrie ausgehen. Durch die Corona-Krise wurde das Wachstum aktuell stark gebremst und die Plattformen teilweise bis zu einem Jahr in ihrer Entwicklung zurückgeworfen. Ich rechne aber spätestens im nächsten Jahr damit, dass der bisherige Wachstumskurs wieder aufgenommen wird.

Auch wird es in 10 Jahren vermutlich größtenteils nur noch regulierte Plattformen geben. Dieser Trend hat jetzt durch die Krise enorm Fahrt aufgenommen und der Regulierungsdruck wird sich weiter erhöhen.

Ich gehe auch stark davon aus, dass wir in 10 Jahren einige Anbieter haben werden, wo mehrere Millionen Investoren auf der Plattform herumturnen. Ob das unbedingt die sind, die heute ganz groß sind, vermag ich aber nicht zu sagen. Das Bild kann sich durchaus schnell durch Innovationen und neue Produkt ändern.

Woran erkennt man eine gute P2P-Plattform? Von welchen sollte man sich fernhalten?

 Nach vielen Jahren im P2P Investment kann ich sagen, es zählt vor allem der Track Record. Schauen wir auf die ganzen Scam-Plattformen waren die blutjung. Je etablierter ein Player im Markt ist, desto sicherer kann man dort sein Geld investieren. Unternehmenszahlen können ebenfalls am besten in ungeprüften Geschäftsberichten frisiert werden. P2P Plattformen die aber schon 5 – 10 Jahre dabei sind (davon gibt es zugegebenermaßen nicht allzu viele) können sich aber eher selten hinter erfundenen Zahlen verstecken.

Die Rendite dagegen ist für mich heutzutage kaum noch ausschlaggebend. Zwar sollten es keine 5% sein (denn dann kann ich auch ganz wegbleiben), aber ob es jetzt 10 oder 11 oder 13 Prozent sind, machen den Kohl (zumindest bei mir) nicht mehr fett. Leider lassen sich aber viele Anleger genau davon leiten und laufen in die Falle. Stichwort: Scams!

Inzwischen bist du seit über einem Jahrzehnt als erfolgreicher Unternehmer und Investor tätig und hast dementsprechend viele Erfahrungen gemacht. Was würdest Du heute rückblickend anders machen als zu Beginn deines Weges? Was war Dein bisher größtes Erfolgserlebnis?

Eigentlich bin ich ein Mensch, der gerne Dinge teilt und von und mit anderen lernt. Vor allem was andere Online-Unternehmer angeht. Leider musste ich immer wieder in der Vergangenheit feststellen, dass diese Gutmütigkeit ausgenutzt und Dinge schlichtweg kopiert wurden.

Besonders dreiste Exemplare (Gott sei Dank nur Einzelfälle) versuchen dann Ideen auch noch als ihre zu verkaufen und mich selbst und meine Geschäftspartner hinterrücks schlecht zu machen. Vor allem im Bereich der P2P-Kredite und den Blogs in dem Bereich ist das sehr beliebt und immer wieder aufgefallen. Mein Learning daraus: Ich gehe heute mit meinen Geschäftsgeheimnissen besser und vorsichtiger um und vertraue nicht mehr jedem. Zwar habe ich kein Problem mit Konkurrenz, mit fehlender Fairness allerdings schon.

Aber nun zum positiven: Mein größter Erfolg als Online-Unternehmer war der Moment, als ich erkannte, dass ich von dem was ich da tat, tatsächlich nachhaltig leben konnte. Das muss so Anfang 2016 gewesen sein, als ich ca. 25 Bücher veröffentlicht hatte. Heute sind es bald 300, jedoch war das damals der Moment, der die Motivation gab, auch noch bis zur finanziellen Unabhängigkeit hart weiterzuarbeiten. Diese erreichte ich dann 2017.