Interview: Branding-Experte Torben Platzer über Karriereplanung

Als Gründer gibt man zwangsläufig die finanzielle Sicherheit auf, über die sich kein Angestellter sorgen muss. Als einer der bekanntesten Branding-Experten Deutschlands weiß der Münchner Unternehmer  Torben Platzer aus erster Hand, wie steinig der Weg als Gründer ist und warum es sich trotzdem lohnt.

Erfahren Sie im ersten Teil unseres Interviews mit Torben Platzer, warum es wichtig ist, seiner eigenen Vision zu folgen und dabei gleichzeitig risikobewusst bei der Karriereplanung zu bleiben.

Du hast zunächst Lehramt studiert, bevor Du Dich entschlossen hast, Dich von Arbeitgebern unabhängig zu machen und Deine eigene Vision als Unternehmer umzusetzen. Wie kam es dazu?

Wie Du schon angedeutet hast, bin ich relativ lange den “klassischen” Weg gegangen. Nach dem Abitur wusste ich wie viele andere nicht, was ich machen sollte. Ich entschied mich für einen Auslandsaufenthalt in London und habe dort ein dreiviertel Jahr gelebt, bevor ich mit dem Studium begonnen habe. Beim Studium hatte ich von Anfang an den Gedanken im Hinterkopf, dass ich das mache, weil es meine Eltern von mir erwarten. Der Rat lautete: Werde Lehrer, die werden immer gebraucht, man hat einen sicheren Job und Arbeitsplätze sind leicht zu finden.

Hinterfragt habe ich das erst mal nicht weiter, hatte jedoch den Gedanken im Hinterkopf, dass mir vielleicht eine Idee einfallen würde, die ich als Selbstständiger verwirklichen könnte – neben dem Studium. Ungefähr zu dieser Zeit hat sich auch der Trend des Online-Unternehmertums etabliert. Die zündende Idee blieb jedoch aus. Also habe ich mein Studium beendet.

Doch nach dem Studium habe ich einen stärkeren inneren Druck verspürt, dass das die letzte Chance ist, etwas Eigenes anzufangen. Ab diesem Moment habe ich mich gegen den “klassischen” Weg gestellt und habe angefangen im Vertrieb zu arbeiten.

„Die heutige Social Media-Landschaft stützt die Illusion, dass jeder Unternehmer werden kann.“

Mit Sicherheit spielen die meisten zu einem bestimmten Zeitpunkt im Leben mit dem Gedanken, nicht mehr dem “klassischen” Weg zu folgen, sondern seine eigenen Ideen umzusetzen und sein eigener Chef zu sein – aber nur die wenigsten setzen das auch um. Denkst Du, dass jeder das Zeug zum Unternehmer hat?

Definitiv nicht. Ich würde sogar sagen, dass die heutige Social Media-Landschaft diese Illusion stützt, dass jeder das machen kann. Man kennt ja die ganzen Online-Werbungen, in denen Coachings und dergleichen angeboten werden, die einem weismachen wollen, dass jeder als Unternehmer ganz einfach Geld verdienen kann. Ich glaube nicht, dass das so ist.

Zum Beispiel stelle ich bei vielen Freunden fest, dass Unternehmertum gar nichts für sie wäre. Darüber urteile ich nicht, denn jeder muss seinen eigenen Weg gehen und hat eine andere Erwartung an das Leben. Viele ziehen es vor, um 18 Uhr Feierabend zu haben und sich keine Gedanken mehr um die Arbeit am nächsten Tag machen zu müssen.

Man könnte auch sagen, dass Arbeitnehmer Beruf und Privatleben ganz klar voneinander trennen können. Ist das ein ähnlich wichtiger Punkt wie Sicherheit?

Richtig. Gerade diesen Luxus, das Private von der Arbeit trennen zu können, können sich viele Unternehmer gerade am Anfang einfach nicht leisten. Ich kenne viele Menschen, die das durchgemacht haben und am Anfang oft bis in die Nacht gearbeitet haben. Daher denke ich, dass es enorm wichtig ist, zu wissen, ob man das wirklich in seinem Leben will. Ich denke, dass ein Großteil der jungen Leute, die heutzutage Unternehmer werden wollen, besser einen anderen Weg einschlagen sollten. Natürlich kann man sich Gedanken darüber machen, nebenbei noch etwas als Selbstständiger zu verdienen, aber man sollte nicht alles auf eine Karte setzen. Ca. 85 Prozent der Start-ups gehen pleite und mir stellt sich die Frage, warum ist das so. Vieles, was auf einen zukommt, wird vielleicht anfangs nicht bedacht oder auch falsch eingeschätzt. Wenn man erfolgreiche Unternehmen sieht, feiert natürlich jeder gerne so ein Resultat. Doch der Weg dahin ist meistens steinig, und das ist den meisten nicht bewusst.

Deine Klienten sind größtenteils ebenfalls Unternehmer. Konntest Du von Ihnen etwas lernen, dass Dich in Deiner eigenen Karriere weitergebracht?

Ja, ich lerne ständig. Und deswegen mag ich auch das was ich tue. Als Branding-Agentur haben wir das Glück, mit vielen spannenden Persönlichkeiten in Berührung zu kommen und zu arbeiten. Viele davon haben große Unternehmen aufgebaut und verfügen auch schon über eine sehr große Reichweite.

„Gary Vaynerchuk fasst es mit dem Satz “Document the Journey” ganz gut zusammen: Ein typisches Start-up zeigt sich auf Social Media, wie das Produkt entsteht und wie die ersten Kunden gewonnen werden.“

Was bedeutet es, seine eigene Marke zu haben und wie kannst Du als Außenstehender beurteilen, wie Deine Klienten ihre einzigartige Marke am besten entwickeln?

Branding ist inzwischen mehr als nur ein Trend. Das merkt man daran, dass Konsumenten Werbung einfach nicht mehr ernst nehmen und die meisten sie inzwischen als lästig empfinden. Da ist es dann umso wichtiger, sich von der Masse abheben zu können, eine eigene Marke zu haben, der die Konsumenten vertrauen.

Genau dieser Vertrauensaufbau und der Erhalt sind die Schwerpunkte unserer Arbeit. Jeder unserer Kunden hat ein Produkt, das er verkaufen möchte. Das können Musiker sein, die Ihre Songs rausbringen, ein Dienstleister oder der Hersteller eines physischen Produkts. Dafür braucht man immer das Vertrauen der Zielgruppe, um daraus möglichst viele Kunden zu gewinnen. Unsere Aufgabe dabei ist es, zunächst einmal komplett die Perspektive zu wechseln, indem wir ein individuelles Gespräch mit jedem unserer Kunden führen. Nur können wir herausfinden, in welchem Licht der Kunde sein eigenes Unternehmen sieht und welche Ansprüche er an dieses hat und welche Mission dahintersteht. Wir verleihen diesem ganzen Vorhaben mit unserer Expertise dann ein Gesicht.

Wir bezeichnen das gerne als “Elon Musk”-Prinzip. Wenn man sich einen Tesla anschaut, wird klar, dass hinter dem Ganzen eine große Vision steckt. Zum Beispiel die Vision, den Benzinverbrauch zu eliminieren und umweltfreundliche Autos zu fahren. Aber das alleine kommt nicht in den Köpfen der Menschen an. Was beim Publikum gut ankommt, ist der Charakter Elon Musk, der vor die Kameras tritt und als beeindruckender Visionär wahrgenommen wird. Dieser Mann will die ganze Gesellschaft in eine neue Zukunft führen. Das bleibt bei den Menschen im Kopf.

Und genauso geben wir unseren Kunden als Unternehmern ein einzigartiges Gesicht. Das schafft dann nicht nur Vertrauen, sondern auch Bewusstsein beim Gegenüber, und es wird Interesse an der Marke des Unternehmens geweckt.

Welche Bedingungen stellst Du an Deine eigenen Projekte, bevor Du sie als Erfolg siehst? Wie sieht eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Dir und einem Klienten aus?

Ein Kunde sollte bereit sein, in der Öffentlichkeit und auf Social Media aktiv zu sein, Wert zu stiften, Haltung zu zeigen und dafür einzustehen. Wir machen kein Branding für Gründer. Unserer Meinung nach kommt Branding nicht zum Tragen, wenn man noch ganz am Anfang steht. Da braucht man noch keine Hilfe von einer Agentur, in dieser Phase kann man das Ganze noch selbst realisieren.

Gary Vaynerchuk fasst es mit dem Satz “Document the Journey” ganz gut zusammen: Ein typisches Start-up zeigt sich auf Social Media, wie das Produkt entsteht und wie die ersten Kunden gewonnen werden. Dafür braucht man uns nicht. Wir kommen ins Spiel, wenn Unternehmerpersönlichkeiten und Marken bereits einen mindestens sechsstelligen Jahresumsatz aufweisen. Darüber hinaus müssen wir auch das Potenzial sehen können. Nicht jeder hat eine Affinität für Social Media. Dass muss passen zur Person und die Person muss sich auch damit wohlfühlen.